Nicht nur das Engagement und das dazugehörige Wissen in der heimatlichen Natur ist bedeutsam, sondern auch die Eindrücke und Erfahrungen beim Bereisen ferner Regionen. So gibt es für langjährig interessierte Jugendliche, welche im Naturforscherclub des Natura Miriquidica e.V. organisiert sind die Möglichkeit, nach regelmäßigem und langjährigem Engagement an einer naturkundlichen Jugendforschungsexpedition teilzunehmen. 2024 fand diese bereits zum fünften Mal statt. Durch mehrere Treffen und Vorexkursionen z.B. in das Elbsandsteingebirge, konnten sich zehn Jugendlichen und ihre beiden Betreuer konditionell, inhaltlich aber auch ausrüstungstechnisch als Team vorbereiten. Der Teilnehmer Tom Schönfelder berichtet über das Abenteuer:
3 tägige Anreise über 2.300 km
Nach zweijähriger intensiver Vorbereitung und Planung konnte schließlich am 20.06.2024 unser großes Abenteuer in Chemnitz gestartet werden. Wir verpassten jedoch gleich zu Anfang den Schienenersatzverkehr, welcher uns nach Leipzig bringen sollte. Zum Glück waren noch ein paar Eltern da, die uns kurzfristig mit all unserem Gepäck nach Leipzig fuhren. Die erste Nacht der Expedition verbrachten wir im Zug nach Kopenhagen, wo wir unsanft durch Dänische Zollbeamte, zur Passkontrolle geweckt wurden. Um so schöner war der Sonnenaufgang über der Ostsee als unser Zug die Great Bell Brücke überquerte, von wo aus es nicht mehr weit bis Kopenhagen war. Mit der Fähre ging es 19 Stunden weiter in Richtung Norden. [1, 1_1,1_2] Am nächsten Morgen tauchten bereits im Nebel die Schären des Oslofjords auf und an den Ufern waren die für Skandinavien so typischen bunten Häuser zu sehen. Von Oslo ging es mit der Bahn tiefer in das Land der Trolle. Auf den ersten Teil der Expedition überquerten wir den Polarkreis, tausende Kilometer von ihrer Heimat entfernt. Der Zug schlängelte sich immer tiefer durch ursprüngliche Täler mit reisenden Flüssen und vereinzelt stehenden Höfen. Dabei machten wir Begegnungen mit freundlichen Zugpersonal, welche über ihr Land berichteten.
Ankunft bei 66°33`N
Nach der 2.300km weiten und 54 Stunden langen Anreise bis nach Fauske nördlich des Polarkreises brachen wir zu Fuß bei widrigen Wetter in die Wildnis des Rago- Nationalpark auf. Dort bestaunten wir einen spektakulären Wasserfall mit 200 m Höhe [2], „liehen“ uns ein altes Boot zum erkunden eines See´s, gingen über Hängebrücken, welche sich über reisende Bäche erhoben und lernten das nach jeder Regenwolke auch wieder die Sonne scheint. Dabei übernachteten wir unter Jahrtausende alten Kiefern in unseren Zelten oder sogar unter freiem Himmel, gingen in eiskalten Gletscherseen baden [2_1] und wanderten mehrere Kilometer pro Tag in zum Teil nasser Kleidung zum nächsten Lagerplatz [3]. Wir trugen sämtliche Dinge des Bedarfs in unseren Rucksäcken, so auch die Nahrungsmittel. Zu essen gab es zum Frühstück das zu Hause schon selbst gemischte Müsli, zum Mittag einen Müsliriegel und zum Abendbrot Nudeln, Linsen, Kuskus etc.. Diese Sachen wurden schon in Deutschland gleichmäßig auf die Rucksäcke aller aufgeteilt. Mitunter wogen die Rucksäcke 25kg [3_1], was bei manchen Anstiegen zu Grenzerfahrungen bei so manchen führte. In den nächsten Tagen bearbeiteten wir unsere Forschungsaufträge[4.1], was uns immer tiefer in die Natur einführte. Außerdem unternahmen wir die Kartierung eines Quadranten für die TU Freiberg, wo schon Alexander von Humboldt studierte. Einige Exponate wurden auch mit in die Heimat gebracht und können nun bestaunt werden. So auch die Zwergsträucher, welche die Landschaft Skandinaviens enorm prägen und einen Farbtupfer in die sonst so triste Landschaft bringen.
Der Geschmack von 10 000 Jahren – Abenteurer Svartison-Gletscher
Nach fünf Tagen am nördlichsten Punkt der Reise im Rago-Nationalpark, ging es für uns [5] wieder in Richtung Süden. Ein letztes Mal überfuhren wir den Polarkreis, und erreichten anschließend Mo I Rana einer der größten Bergarbeiterstädte Norwegens. Von dort aus ging es mit dem Taxi weiter in Richtung Svartisen-Nationalpark, da keine Öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung standen. Während der Fahrt unterhielten wir uns auf englisch mit dem Fahrer und lernten so noch mehr über die Kultur des Landes kennen. Die Menschen in Norwegen waren stets sehr entspannt sowie aufgeschlossen. Als die Straße aufhörte, ging es zu Fuß in den Svartisen – Nationalpark. Da die Fähre noch nicht in den Sommerbetrieb gestartet war, mussten wir für eine Nacht auf einem Zeltplatz am Rande des Gletschersees ausweichen. Am darauffolgenden Tag setzten wir mit dem Boot über und bezwangen bei rauen Wetter und anspruchsvollen Wegen den Anstieg zum Gletscher. Der Besuch des Gletscher überwältigte uns, da wir beobachten konnten wie dieses gigantische Jahrtausende Jahre alte Naturgebilde vor unseren Augen schmolz. An diesem Ort war es durch den felsigen Untergrund nicht möglich die Zelte aufzuschlagen. Aus diesem Grund mussten wir den steilen felsigen Hang des Tales bei strömenden Regen, nass bis auf die Haut, hungrig, mit 25 kg auf dem Rücken erklimmen. Dabei kamen viele von uns mental und konditionell an ihre Grenzen. Dieser Zeitpunkt sollte für uns der Anspruchsvollste der ganzen Reise sein, was für jeden auch eine wichtige Erfahrung fürs Leben war.
Lagerleben & Forschungstage im Fjell [5.1]
Die darauffolgenden Tage verblieben wir an der gleichen Lagerstelle und unternahmen Tagesausflüge in die Tundra. Die Abende nutzten wir um unsere Lagerstelle so bequem wie möglich zu gestalten. So bauten wir beispielsweise im sumpfigen Gebiet einen Weg aus Steinplatten um unseren Lagerplatz. Ein zusätzliches Problem war das fehlende Brennmaterial für das täglich notwendige Lagerfeuer. Trockenes Holz war nicht vorhanden und so musste auf Birkenrinde zurückgegriffen werden. [6,6.1]
Die Landschaft unterschied sich nun grundlegend vom ersten Nationalpark. Wo zuerst Kiefern das Bild prägten, waren es nun niedrige Zwergsträucher und Flechten [7.1, 7.2.]. Diese Umgebung nutzten wir um unsere Forschungsaufträge fertigzustellen. Durch die Landschaft zogen sich Bäche und Seen.[7] Aus diesem Grund wurde geangelt und so gab es zur Abwechslung zwischen Haferflocken, Nudeln und Kuskus auch mal eine Forelle zu essen. Eine Besondere Beobachtung für uns waren die Alpenschneehühner [8](Lagopus muta)welche nicht scheu waren, da sie noch nie einen Menschen gesehen hatten.
Rückfahrt mit Hindernissen
Während der Rückfahrt von Moi-Rana mit dem Nachtzug schliefen wir nach Wochen in der Wildnis das erste mal wieder in einem richtigen Bett. Die restliche Bahnfahrt hingen sämtliche Teilnehmer der Expedition, ihren Erinnerungen und Eindrücken hinterher. Es sollte noch lange dauern, bis alles verarbeitet war.
Mit der Abfahrt der Fähre aus Oslo ging das Abenteuer in Norwegen seinen Ende entgegen und das so besondere Land verschwand hinter dem Horizont. Von dem Zeitpunkt an, freuten wir uns wieder auf unser Zuhause und unsere Liebsten. Während der Überfahrt nach Dänemark tobte auf der Ostsee ein starker Sturm, welcher das Schiff ziemlich um herwarf und so manchen von uns seekrank machte.
Nach 17 Tagen und 64 Stunden Heimreise voller Entbehrungen und Eindrücken die uns fürs Leben prägen werden, freuten wir uns alle auf Zuhause. In Chemnitz war die Wiedersehensfreude groß. Alle schlossen ihre Liebsten in die Arme und die Eltern freuten sich, dass ihre Kinder unversehrt, jedoch hungrig und übernächtigt wieder in ihre Arme zurückkehrten.
Die Erlebnisse und Abenteuer während der Expedition werden uns für immer prägen und als Freunde zusammenschweißen.
Für die ideelle und finanzielle Unterstützung der Vor- Nachbereitung bzw. Durchführung der Expedition durch Sponsoren, Fördermittelgebern und Eltern dankt das 12 köpfige Expeditionsteam: Hannes Einhorn, Elody Schwarz, Anselm Wohlfahrt, Frida Uhlig, Emil Schreiter, Marla Meister, Johann Treffkorn, Anni Stülpner, Tom Schönfelder sowie die Betreuer der Expedition Babett Schreiter und Kay Meister. Zusätzlich bedanken wir uns bei Theo Schellenberger, dass er uns am Abend des Expeditionsvortrags so tatkräftig mit unterstützt hat, obwohl er leider krankheitsbedingt nicht mit auf Expedition war. Vor allem danken wir Babett und Kay von ganzen Herzen. Sie haben uns all die Jahre unterstützt, standen uns zur Seite und haben viel Freizeit geopfert, um uns diesen Traum zu erfüllen. Danke!